„Liebe ich Dich eigentlich noch?“

von | 7. September 2020 | Glückliche Beziehung

Die Phase des Verliebtseins liegt gefühlt ewig zurück. War ich damals überhaupt richtig verliebt? Und liebe ich Dich jetzt überhaupt noch?

Hast Du Dir diese oder ähnliche Fragen schon einmal gestellt? Ist Deine Beziehung langweilig geworden und belastet von den immer wieder gleichen Themen, um die Du Dich wie in einem nervigen Kirmeskarussel mit Deinem Partner drehst. Die Belastung zuhause nagt an Dir und raubt Energie, die an anderer Stelle fehlt. Dein Partner ist chronisch unzufrieden – du selbst natürlich auch, nur eben aus gutem Grund – und das hat Dich jetzt an einen Punkt gebracht, an dem Du Dich fragst, ob das noch Liebe ist, was Du für den anderen empfindest. Hast Du den anderen überhaupt einmal richtig geliebt, fragst Du Dich vielleicht!

Liebe ist und bleibt ein Mysterium. Forscher wie Sue Johnson, Elain Hatfield, John Gottman oder Esther Perel haben die Liebe aus unterschiedlichen Perspektiven wissenschaftlich durchleuchtet. Das brachte zumindest etwas Licht in das Dunkel unserer wechselnden Empfindungen von dem, was wir Liebe nennen. Wir wissen heute aus Studien, was Paare, die zusammenbleiben, ausmacht, welche Wirkung Affären entfalten und welche Anzeichen auf eine baldige Trennung hindeuten.

Aber was ist nun Liebe? Ist Liebe dieses leidenschaftliche Verlangen in der Phase des Verliebtseins, nach dessen Wiederkehr Du Dich gerade sehnst? Das Du in Deiner Affäre oder unerwiderten Liebe erlebst oder erlebt hast und nun den Gedanken und die Sehnsucht daran nicht wieder loswirst? Oder ist schon dieses freundschaftliche Gefühl, das zwischen Dir und Deinem Partner lange bestanden hat und das dafür sorgt, dass Ihr gemeinsam das Beste für die Kinder macht, Liebe?

Die romantische Seite der Liebe ist gewöhnlich und bei den meisten Paaren geprägt von Bedingungen. Ich liebe Dich, aber wenn Du mich verlässt, werde ich Dich von einem auf den anderen Tag hassen. Ich liebe Dich, aber wenn Du Dich in jemand anderen verliebst, werde ich Dich bekämpfen! Ich liebe Dich, aber wenn Du Sex mit jemand anderem hast, werde ich Dich verlassen. Ich liebe Dich, aber wenn Du in mir nicht mehr diese wohligen Gefühle auslöst, weil Du zu dick, zu unaufmerksam, zu pampig, zu abweisend geworden bist, werde ich das Gefühl der Liebe verlieren und mich von Dir abwenden.

Das alles zeugt von einer Art der Liebe, die Du womöglich schon von Klein auf gelernt hast. Liebe, die sich zeigt, wenn Du lieferst. Die ersten Begeisterungsstürme hast Du geerntet, als Du zum ersten Mal durchgeschlafen hast, als Baby die nächsten Entwicklungsschritte gemacht hast, Dich gedreht hast, angefangen hast zu laufen, zu sprechen, aufs Töpfchen zu machen. Später, als Du Leistung in der Schule oder beim Sport gezeigt hast und so ging es immer weiter. Nach den gleichen Prinzipien lebst Du jetzt Deine Beziehung. Liefere, dann wirst Du geliebt!

Vielleicht nimmst Du jetzt, als sich Deine Krise in der Beziehung sich zuspitzt, eine ähnliche Haltung ein. Der andere soll liefern. Wieso Du?

Dabei stell Dir die Frage, ob Du in der jetzigen Situation in der Lage bist, zu liefern. Kannst Du jetzt dem anderen zeigen, dass er geliebt wird, obwohl Dir das schöne, angenehme, sichere Gefühl an der Seite des anderen verloren gegangen ist? Wenn die Antwort Nein lautet, weil Du geradezu wütend, zu traurig, zu resigniert, zu energielos bist oder Dir einfach das positive Gefühl für den anderen fehlt, dann erwarte es auch nicht von Deinem Mann oder Deiner Frau. Ihm oder Ihr geht es ja nicht anders.

Ihr beide bezeichnet das wohlige Gefühl in der Nähe des anderen – momentan leider nicht mehr spürbar – als Liebe. Das ist Liebe, die abhängig ist und über Jahrzehnte einer Beziehung niemals konstant aufrechterhalten werden kann. Schließlich gibt es immer wieder Phasen – tiefe Krisen, die durch Streits, Affären, Finanzprobleme, Krankheit oder Tod eines nahestehenden Menschen ausgelöst werden – die jedes Paar im Laufe seiner Geschichte meistern muss.

Da hilft nur eine Liebe, die nicht sagt „Ich liebe Dich, wenn Du…“. Mit der Haltung meistert man keine Krise. Die Liebe, die Du dann brauchst, sagt: „Ich bleibe bei Dir, bin präsent, unterstütze Dich, höre Dir zu und versuche Dich zu verstehen, auch, wenn es gerade schwer ist oder sogar weh tut!“.

Diese Art der Liebe, die eine Kunst ist, bringst Du nicht einfach mit. Die musst Du lernen. Sie achtet den anderen, auch, wenn Du glaubst, dass Dir gerade das Schlimmste angetan wurde, was man Dir antun kann oder Du niemals fähig sein wirst, die gleichen Gefühle wie in der Anfangszeit Eurer Beziehung wieder zu erleben. Bücher en masse wurden darüber geschrieben. Wenn Ihr Euch zu zweit auf den Weg macht, diese unabhängige Liebe zu lernen, erleichtert das den Weg enorm. Aber auch allein bist Du nicht hilflos.

Was Du dazu brauchst ist eigentlich nur der Wunsch, Deine Situation zu verändern und diese Veränderung selbst bewirken zu können, so wie jemanden, der Dir zeigt wie es geht.

Worauf wartest Du noch?